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› „Ingvar, willst du mich verarschen?“ HartDran 376
22.09.2016 So griffig formuliert Kersten Augustin, Autor der Wochenzeitung „Die Zeit“ in einem lesenswerten Beitrag seine Sicht auf die Inhalte des aktuellen IKEA-Katalogs. „Multikulti-WGs kochen vegane Menüs, Kinder knabbern rohen Brokkoli.“ Das alles kommt dem IKEA-Skeptiker Augustin (Jahrgang 1988) irgendwie nicht ganz geheuer vor. Und er schreibt dem greisen IKEA-Gründer Ingvar Kamprad, was er davon hält.

Zitat: „Ingvar, ich habe deinen Katalog durchgeblättert und bin wütend geworden. Du hast dich verändert. Du bist übergriffig geworden. Du willst mir nicht mehr nur Möbel verkaufen. Du sagst mir, wie ich leben soll.“

Und weiter: „Auf dem Coverfoto sieht man eine Clique beim Abendessen, die offenbar ein Antidiskriminierungsbeauftragter zusammengestellt hat.“ Oder: „Dein Katalog wurde angeblich häufiger gedruckt als die Bibel. Aber deshalb musst du doch nicht predigen.“

Früher, so der Kritiker, habe es noch Fernseher auf den Katalog-Fotos gegeben. „Es lief Fußball. Kinder haben Spaghetti und Köttbullar gegessen. Nicht gesund, aber lecker. In deinem neuen Katalog beißt ein Kind in einen rohen Brokkoli. Das habe ich noch nie in meinem Leben gesehen.“

Und aus IKEA-Sicht scheine sich die Welt in den vergangenen zwanzig Jahren doch sehr verändert zu haben. „Niemand wohnt mehr in Vorort-Reihenhäusern mit Garten, alle in der Großstadt, in Fabriklofts mit bodentiefen Fenstern. Fast nur Männer kochen, am besten selbst gefangene und ausgenommene Fische. Nicht mehr die homogene Kleinfamilie, sondern der möglichst heterogene Freundeskreis wird in Szene gesetzt, multiethnisch, multikulturell. Warum nennst du BILLY nicht gleich YUSSUF?“

„Ingvar, willst du mich verarschen?“ fragt der Zeit-Autor noch einmal. Und vermutet, IKEA stecke möglicherweise in der Midlife-Crisis. „Immer willst du vorne dran sein. Aber was soll man tun, wenn die Avantgarde von früher der Mainstream von heute ist? Wie könnt ihr euch noch abgrenzen?“ Und stellt die Frage: „Was verkaufst du eigentlich noch mal: eine Couch? Oder ein Glaubensbekenntnis?“

Vermutlich beides. Mit der Außendarstellung ist das eben so eine Sache. So hat auch die österreichische XXXLutz Gruppe ihre Image-Probleme. Und versucht es mit einer Interview-Offensive.

„Ich würde einiges anders machen“, sagte beispielsweise Alois Kobler, „Deutschlandchef der XXXL-Unternehmensgruppe“ in einem Rheinpfalz-Interview zu den Vorgängen am Standort Mannheim, wo im Februar dieses Jahres 99 Logistik-Mitarbeiter vor die Tür gesetzt worden waren.

Und erklärt wortreich, dass es zweierlei Sicht der Dinge gibt. Dass es „bis zu 300 Anhörungen des Betriebsrats zu Details des Arbeitsablaufs“ gegeben habe in der Mannheimer Logistik. Kobler: „Ich als Führungskraft muss jede Versetzung beim Betriebsrat anhören lassen, der muss tagen und zustimmen oder nicht.“ Und: „Wir wollten kein Personal abbauen, wir wollten weder mehr noch weniger zahlen. Wir wollten nur einen vernünftigen Arbeitsablauf mit einer gewissen Flexibilität bei der täglichen Organisation.“

Räumt aber auch ein: „Wir hätten besser kommunizieren müssen. Wenn wir den Leuten vom ersten Tag an gesagt hätten – der Presse, den Mitarbeitern – was wir da gemacht haben und warum, dann hätten wir diese negative Presse nicht bekommen. Das muss ich mir im Nachhinein vorwerfen. Das werden wir zukünftig auch besser machen. Wir haben daraus gelernt.“

Und der österreichische XXXLutz-Sprecher Thomas Saliger hat in der letzten Woche ohne Bezug auf Mannheim in einem Interview des Online Portals „Salzburg Fenster“ festgestellt: „Das war ein kurzer Moment, in dem wir aber offensiv vorgegangen sind. Wir setzten uns sofort mit der Gewerkschaft zusammen und räumten Differenzen aus. Da geht es ja oft um die Interpretation von Gesetzen. Da lernte ich Gewerkschafter kennen, die kämpfen für ihre Sache, mit denen kann man aber reden. Die sind auch lösungsorientiert.“ Die Frage war: „Lutz war vor Jahren stark in der Kritik, weil sich Mitarbeiter über Arbeitsbedingungen beschwerten.“

Alles halb so wild offenbar. Und alles eine Frage der Kommunikationsstrategie. „Thomas, willst Du mich verarschen?“ Das hat in dem Interview aber niemand gefragt.

Ihr Ralf Hartmann
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