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› „Ja, es kommen dunkle Wochen …
05.12.2020 … aber gegen das Dunkel haben wir Menschen früher Fackeln gehabt, heute haben wir Taschenlampen. Damit kann man nur einen kleinen Ausschnitt vom Ganzen beleuchten, diesen aber besonders gut.“ Und: „Wenn es strahlend hell ist, schaut doch jeder nur auf das Größte und Grellste. Wir könnten aufhören, uns abzulenken. Es könnten die Wochen für das vermeintlich unwichtige Detail sein, für die Innenschau, die kleine Überraschung.

Es könnten die Wochen der Dankbarkeit sein, dafür, dass man kein Paketbote ist, dass man nicht zehn Stunden lang Intensivpatienten umdrehen muss, dass man nicht entscheiden muss, welche Maßnahmen uns retten werden und welche nicht. Schluckt die Trillerpfeifen runter, es geht alles vorbei!“

Diese Sätze stammen von der österreichischen Schriftstellerin Eva Menasse und sind am 08.11.2020 in der Süddeutschen Zeitung erschienen. „Solange wir leben, bleibt das Beste immer möglich“, lautet die Überschrift. „Licht an!“ heißt das Motto in der Süddeutschen, unter dem sich die unterschiedlichsten Zeitgenossen zur aktuellen Befindlichkeit auslassen.

Da schreibt zum Beispiel die Schauspielerin Katja Riemann: „Streamen. Ich kann das Wort nicht mehr hören und auch keine Leute mehr sehen, die vor Bücherwänden ihrer Wohnungen sitzen und irgendetwas versuchen zu gestalten: Musik, Gesang, Gespräche, Lesungen, Lustiges.“

Und noch mal Menasse: Im Frühling sehen wir uns wieder, winkend im Wald oder Park, das Lächeln so groß wie der Abstand. Die Queen hat gesagt: `Better days will return.´ Sie ist 94 Jahre alt, sie hat fast alles gesehen, sie muss es wissen.“

Bei allem Zweckoptimismus gibt es aber auch noch die Schwarzseher. Mehrheitlich. Die, die weniger die Chance in der Krise sehen, als den Abgrund. Jetzt, wo „nichts mehr sein wird, wie es mal war“.

„Et kütt wie et kütt un et hätt noch immer jot jejange.“ Diese kölsche Lebensweisheit kann zwar weiter helfen. Aber es ist ja nicht jedem gegeben, seine Befindlichkeit danach auszurichten.

Neben der arg gebeutelten Gastronomie, den Schaustellern, Kulturschaffenden, Messebauern oder den „körpernahen Dienstleistungen“ – Friseure und so …, ist es einmal mehr der Handel, der furchtsam in die Zukunft schaut.

Eher kurios die Feststellung, dass den Kunden aufgrund der Pandemie die Anlässe, um bei Drogerien zu kaufen, abhandenkommen: Kosmetik-Produkte wie Lippenstift werden seit Beginn der Maskenpflicht deutlich weniger gekauft. Nachvollziehbar.

Alarm schlagen derweil die Handels-Lobbyisten: „Schlechte Nachrichten für unsere Innenstädte: 60 Prozent der Händler sind in Existenzgefahr“, warnt HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth laut Business Insider. Und HDE-Präsident Josef Sanktjohanser fordert deshalb „schnelle Hilfsmaßnahmen, besonders für den Handel in den Stadtzentren“.

Rund 19,3 Milliarden Euro koste allein der zweite Lockdown die deutsche Wirtschaft laut Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) schreibt die WELT AM SONNTAG. Mit Einbußen von 5,8 Milliarden Euro seien Gastronomie und Hotels am härtesten betroffen. Schlussfolgerung: „Das wäre ein Verlust von 55 Prozent der üblichen Wirtschaftsleistung in einem Vierteljahr.“

Auf welches Zahlenmaterial sich diese Prognosen stützen, wird dort nicht erläutert. Aber es reicht. Um die Alarmstimmung weiter anzufachen.

Die „übliche Wirtschaftsleistung“. Solche Begriffe kann man nicht nur in der Krise ruhig mal hinterfragen. Müssen wir wirklich zum Kaffeetrinken nach Venedig jetten, nur weil der Flug billiger ist, als die Fahrt zum Flughafen?

Müssen tausende von Kreuzfahrern per Massenmenschhaltung in schwimmenden Hotels die Welt erkunden, wie Heuschrecken in Touristenzentren einfallen, um danach wieder zügig die üppigen gastronomischen Angebote an Bord zu „vernichten“? - Müssen Teenie-T-Shirts 5 Euro kosten, damit sie einmal getragen im Mülleimer landen?

Fragen, die schon vor Corona immer wieder die Diskussionen belebt haben. Vielleicht werden sie ja nun doch ein wenig differenzierter betrachtet. Vielleicht ändert sich doch auch etwas, wenn alles vorbei ist. Zum Guten natürlich.

„Wir könnten aufhören, uns abzulenken. Es könnten die Wochen für das vermeintlich unwichtige Detail sein, für die Innenschau, die kleine Überraschung“. Sagt Eva Menasse. – Mir gefällt das.

Ihr Ralf Hartmann
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