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04.06.2023
… für eine Sensationsmeldung gewesen: „W. Schillig beim Amtsgericht.“ Damals, als es neben Wi-schi auch noch Ma-schi gab und E-schi. Beide längst verblichen.
Und heute? Eine Nachricht unter vielen. Alles nicht so schlimm. Eigenverwaltung. Da ändert sich ja fast nichts. Zufällig habe ich mich zum Thema Eigenverwaltung in der letzten HartDran Ausgabe ausführlich geäußert. Und kann versichern: Ganz so einfach ist das nicht.
Natürlich hat auch bei W. Schillig jetzt zunächst mal eine ansehnliche Truppe einschlägig mit Herrschaftswissen gesegneter Sanierungsexperten die Chefetage bezogen (siehe Seite 17 in dieser Ausgabe). Da kann man Erik Stammberger, dem Enkel des Firmengründers Willi Schillig, der die Firmenleitung vor knapp acht Jahren in dritter Generation übernommen hat, nur viel Standvermögen wünschen. Der nämlich lässt per Pressemitteilung erst mal die Wogen glätten. „Wir sind überzeugt, dass wir gestärkt aus diesem Prozess hervorgehen und weiterhin hochwertige Polstermöbel produzieren werden, die unsere Kunden schätzen und lieben.“ Ziel sei es, das Unternehmen bis zum Spätherbst über einen Insolvenzplan bilanziell zu sanieren und langfristig die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Und ganz nebenbei: Man werde in Zukunft noch stärker die „Sortimente aktualisieren, Prozesse verschlanken“ und leider auch am Standort Frohnlach „personelle Anpassungen vornehmen müssen“. Damit ist die Katze aus dem Sack. Natürlich geht es auch um Arbeitsplätze in Oberfranken. Schon vor gut sieben Jahren, Ende 2015, hat sich W. Schillig im deutschen Stammwerk von 75 Mitarbeitern aus den „vorgelagerten Produktionsstufen“ (Zuschnitt, Nähen) getrennt. Damals hatte das Unternehmen „drei hochmoderne, computergesteuerte Ledercutter“ angeschafft. Aber nicht etwa für den Stammsitz Oberfranken. Nein, um „hochwertige Qualität Made in Germany“ auch in Zukunft bieten zu können, wurden die neuen Maschinen im W.SCHILLIG-Werk in Ungarn installiert. Ein „schwerer Schritt“, so die Mitteilung damals, der in enger Zusammenarbeit mit der Arbeitnehmervertretung beschlossen worden sei (hartdran.com vom 18.11.2015). In diese Richtung können sich nun die 230 verbliebenen Mitarbeiter im Stammwerk Ebersdorf-Frohnlach so ihre Gedanken machen. Insolvenzgeld sichert ihre Löhne für die nächsten drei Monate. Und dann? „Hochwertige Qualität Made in Germany“ demnächst aus dem Ausland? Sinn würde das machen. Denn der oberfränkische Polstermöbelfabrikant lässt – wie etliche Mitbewerber auch - schon lange nicht mehr alles am Stammsitz Frohnlach fertigen. In einem bemerkenswert wohlwollend formulierten Firmenportrait der FAZ vor genau zwei Jahren – Leseprobe: „Ohnedies taugt der Enkel von Firmengründer Willi Schillig mit seinem forschen Auftritt, der markanten Brille und dem Kurzhaarschnitt als Jungstar einer alternden Industrie, …“ – hält der „Jungstar“ nicht groß hinter dem Berg mit den Auslandsaktivitäten des Unternehmens. Zitat: „W. Schillig besitzt neben Fertigungsstätten in Ungarn, Tschechien, der Slowakei und Litauen auch eine Fabrik in China, in der vor allem Möbel für den amerikanischen Markt gefertigt werden.“ Und Stammberger rechnet dem offenbar schwer beeindruckten FAZ-Redakteur Henning Peitsmeier in Sachen Lohnkostenanteil vor: „Die Polsterminute kostet in China 12 bis 16 Cent. In Ungarn oder in der Slowakei liegt sie zwischen 23 und 27 Cent. Und in Deutschland ist sie noch mal in etwa doppelt so hoch.“ Dennoch wollte Stammberger laut FAZ vor zwei Jahren „in den Chor derjenigen, die viel jammern“, nicht einstimmen. „Wir haben eine Firmenkonjunktur“, sagte er fröhlich, „unsere Modellpolitik geht auf.“ Viel habe er sich von der Autoindustrie abgeschaut, vom Internetkonfigurator bis zur Produktionssteuerung. So fertige W. Schillig die hochpreisigen Sofamarken „Black Label“ und „Alessio“ ausschließlich am Firmensitz in Frohnlach. Ob das so bleibt, oder ob der Stammsitz der Willi SCHILLIG Polstermöbelwerke GmbH & Co. KG in Zukunft „nur“ noch Sitz der Verwaltung und der Produktentwicklung sein wird, das muss sich weisen. Ihr Ralf Hartmann |