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› Immer, wenn ich das Wort …
18.08.2023 … „Deindustrialisierung“ höre, habe ich bislang automatisch die Augen verdreht und darüber nachgedacht, ob nicht andere Bedrohungen unseres lieb gewonnenen Wohlbefindens sehr viel ernster zu nehmen seien. Sie wissen schon, das was immer alle sagen, wenn irgendetwas schief gegangen ist. Beispiel W.Schillig: Neben den starken Turbulenzen im gesamtwirtschaftlichen Umfeld – „Corona, Ukraine Krieg und die Folgen“ – mache dem Unternehmen nun die „extreme Kaufzurückhaltung“ zu schaffen. In den letzten Wochen sei die Nachfrage nach Polstermöbeln nochmals extrem eingebrochen. Erschwerend komme die „Saisonkurve“ dazu, denn in den warmen Monaten würden nochmals weniger Möbel gekauft, das sogenannte „Sommerloch“ stehe also noch bevor.

Beispiel Maja: „Die Lage des von MAJA Kasendorf bedienten Möbelmarkts ist angespannt. Der `Corona-Boom´ rund ums Wohnen und Home-Office ist vorbei, zusätzlich herrscht bei den Verbrauchern seit dem `Russland-Krieg gegen die Ukraine´, dem `Energie-Preisschock´ und der hohen `Inflation´ enorme Verunsicherung. Neuanschaffungen werden verschoben oder überhaupt nicht getätigt. Der abrupte `Nachfragerückgang´ trifft die gesamte Möbelindustrie sehr hart.“

Alles richtig. Und sicher sehr bitter. 650 Arbeitsplätze sind allein bei Maja futsch. Aber „Deindustrialisierung“? Es komme noch dicker, sagen viele. Und: „Schauen Sie sich doch mal im Möbelhandel um!“ Jaja, es sieht nicht gut aus. Andererseits ist es nicht die erste Krise, die ich in nunmehr fast 40 Jahren als Beobachter der Möbelbranche zu kommentieren habe. Ich bleibe da noch immer beim kölschen Grundgesetz: „Et kütt wie et kütt.“ – Und: „Et hätt noch emmer joot jejange.“

Und die Deindustrialisierung? „Die Fakten sprechen gegen diese These“, schrieb vor kurzem Hannes Koch in der Neuen Westfälischen Zeitung. Nicht bezogen auf die Möbelbranche, sondern auf alles, was bei uns so unter Industrie läuft.

Zitat: „7,5 Millionen Leute beschäftigen die Industrieunternehmen hierzulande. Die Tendenz ist weitgehend stabil – vor zehn Jahren waren es 7,4 Millionen Jobs. Dann wuchs die Zahl etwas, seit 2020 ist sie leicht um vier Prozent gesunken.“

Darin stecke auch die „steigende Produktivität", wird in der NW Martin Gornig vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin zitiert. Die deutsche Industrie arbeite effektiv. Weniger Menschen produzierten mehr Güter. Das sei „das Gegenteil von Deindustrialisierung", sagt Gornig.

Ein ähnliches Bild zeige die Entwicklung der Firmeninsolvenzen. Kürzlich habe das Institut für Wirtschaftsforschung in Halle (IWH) geschrieben: „Die Zahl der Insolvenzen ist so hoch wie seit sieben Jahren nicht mehr." Der Haken: „das bezog sich nur auf Juni 2023.“ Von Januar bis Mai hätten die Firmenpleiten dagegen unter dem Vor-Corona-Niveau gelegen.

Und Hannes Koch zitiert das Statistische Bundesamt (Destatis): Im vergangenen Jahr 2022 seien 10.432 Betriebe pleite gegangen. „Vor Corona, als die Wirtschaft gut lief, waren es jedoch viel mehr.“ Und zwar „13.609 (2019), 2016 fast 16.000 und 2014 fast 18.000.“ Dabei seien nur ungefähr zehn Prozent der erfolglosen Unternehmen dem verarbeitenden Gewerbe zuzurechnen, also der Industrie. Mit einem vermeintlichen Zusammenbruch der Industrie habe das nichts zu tun.

Was allerdings alle Betroffenen quer durch alle Branchen unisono als Grund für diesen oder jenen Abwanderungsgedanken nennen, das ist die zögerliche Digitalisierung in allen Lebensbereichen und die ausufernde Bürokratie.

Da können Betroffene absurde Anekdoten in Sachen Sesselfurzer zum Besten geben, die niemanden wundern, der schon mal einen „Antrag auf Erteilung eines Antragsformulars“ hat stellen müssen (Reinhard Mey vor über 50 Jahren).

Ich fürchte, mit der Bürokratisierung werden wir noch sehr, sehr lange unsere liebe Not haben. Sehr viel länger, als beispielsweise Fax Geräte in den Amtsstuben liebevoll gehegt und gepflegt werden.

Ihr Ralf Hartmann
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